«Mit Frauen kann ich machen, was ich will!»

Tiefe Betrof­fen­heit prägt die 40 Gäste. Es war keine ein­fa­che Kost, die wir Abend des 5. Febru­ars in der Aula das Schul­hau­ses Reb­sa­men in Romans­horn beka­men.

Was mit «Film­abend Nefa­rious» über­schrie­ben war, ent­puppte sich als erschüt­tern­den Ein­blick in die moderne, men­schen­ver­ach­tende Skla­ve­rei der Sex­in­dus­trie. Meh­rere Gäste brach­ten zum Aus­druck: «Dass es so schlimm und so ver­hee­rende Aus­masse hat, hätte ich nie gedacht!»

Denn eigent­lich weiss man es ja, dass in Ost­eu­ropa Wai­sen­kin­dern zum Teil mit Gewalt, zum Teil mit fal­schen Ver­spre­chun­gen in die Pro­sti­tu­tion gelockt und gezwun­gen wer­den. Thai­land und Kam­bo­dscha sind bekannt für den Sex-Tourismus. Dass es aber nicht in ers­ter Linie die Armut ist, die dazu führt, dass Mäd­chen miss­braucht wer­den, son­dern dass es in ver­schie­de­nen Gebie­ten «nor­mal» gewor­den ist, dass Eltern ihre Mäd­chen ver­kau­fen, um sich den teu­re­ren Fern­se­her kau­fen zu kön­nen, geht nicht mehr aus dem Kopf.

Und gleich­zei­tig blei­ben Sätze hän­gen, die von Schwe­den her her­über­klin­gen: «Solange Pro­sti­tu­tion akzep­tiert wird, ist keine echte Gleich­be­rech­ti­gung mög­lich. Denn durch die Pro­sti­tu­tion wird akzep­tiert, dass Frauen in exis­ten­zi­el­ler Art und Weise der Wil­len gebro­chen, die Ehre geraubt wird, sie Men­schen 2.Klasse sind.»… und genau das geschieht direkt vor unse­rer Haus­türe.

Eva als Grün­de­rin und ihre ehren­amt­li­che Mit­ar­bei­te­rin vom Ver­ein Blossom arbei­ten auf ihre Art und Weise «im Milieu». Im Anschluss an den Film berich­te­ten sie, wie sie regel­mäs­sig mit ihrem seel­sor­ger­li­chen Besuchs­dienst Frauen in Bor­del­len, Clubs, Salons und Eta­blis­se­ments des Kan­tons Thur­gau besu­chen. «Wir acht Frauen errei­chen zur Zeit etwa 150 Frauen, viel­leicht zwei davon sind Schwei­ze­rin­nen. Etwa ein­mal im Jahr gelingt es, eine Frau im Aus­stieg aus der Pro­sti­tu­tion zu beglei­ten. In der Regel gehen wir vor­bei, suchen den Kon­takt, Wege, um kom­mu­ni­zie­ren zu kön­nen, ver­su­chen die Frauen echt wahr­zu­neh­men, für sie da zu sein, brin­gen ihnen jeweils ein klei­nes Geschenk mit einer per­sön­li­chen Note, ver­su­chen ihnen auf einer Her­zen­s­ebene zu begeg­nen, Wert­schät­zung aus­zu­drü­cken.» Sie begeg­nen zum Teil Frauen, die zuge­dröhnt sind, weil sie ansons­ten ihre «Arbeit» nicht aus­hal­ten wür­den. Es gab auch schon Frauen, die nur 6.- in der Stunde ver­die­nen oder Bläu­ele auf­wie­sen. Oft wer­den Bil­der der Kin­der von zu Hause gezeigt.

Ernüch­tert berich­tet EVP-Kantonsrätin Doris Gün­ter, die den Abend mode­rierte, wie wenig Reak­tio­nen sie erfährt in ihrem Umfeld. «In der Schweiz ist man bei­nahe stolz auf die mehr oder weni­ger legale Aus­übung der Sex­ar­bei­te­rin­nen… Es scheint alles o.k. zu sein.»

Beim Heim­weg erin­nere ich mich an die letz­ten Über­le­ben­den der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger von Ausch­witz. In den letz­ten Tagen gab es mehr als einen Bericht dar­über. Zu Recht weh­ren wir uns gegen das Ver­ges­sen jener sys­te­ma­ti­schen, men­schen­ver­ach­ten­den Gräuel. Es schie­ben sich Bil­der dar­über von heute, von tau­sen­den von Frauen, die mit­ten in der moder­nen Welt ernied­rigt, gebro­chen, leben­dig begra­ben wer­den. Sind wir schi­zo­phren, blind?

Chris­tian Stri­cker, Nie­der­aach

 

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