Bericht zur Grossratssitzung vom 3. Juli 2024

Bericht zur Grossratssitzung vom 3. Juli 2024

Berichterstatter: Kantonsrat Roland Wyss

 

Pünktlich um 09.30 Uhr begrüsst der Grossratspräsident zur ganztägigen Sitzung.

Am Vormittag sind 125 Ratsmitglieder anwesend, nach kurzer Zeit 126, und dann wieder 125. Ein Kommen und Gehen; der Rat bleibt aber immer beschlussfähig.

Über Mittag fand eine Information zu Wil West statt. Leider ohne mich, wir hatten eine Sitzung der GFK.

 

1. Gesetz über den Solidaritätsbeitrag für Betroffene von Medikamententests (GSBM) (20/GE 30/640) 

Redaktionslesung, Schlussabstimmung 

Die Diskussion wird nicht mehr gewünscht. In der Schlussabstimmung wird dem Gesetz mit 125 Ja zugestimmt. Das Behördenreferendum wird nicht ergriffen.

 

2. Gesetz über die Finanzierung von Leistungen für erwachsene Menschen mit Behinderung (FLEMBG) (20/GE 17/329) 

2. Lesung 

In der zweiten Lesung wird von Felix Meier ein Antrag auf Verwirkung statt Verjährung gestellt. Als Gegenargument wurde eingebracht, dass es beim Sozialhilfegesetz auch eine Verjährung gibt und dies daher einheitlich zu regeln sei, da die Gesetze Vergleichbar sind. Gemäss Regierungsrat handelt es sich materiell um das Gleiche. Der Antrag wurde mit 25 Ja zu 96 Nein bei 4 Enthaltungen abgelehnt.

Bei meinem Entscheid war das Ja ein Zeichen für Felix. Wie bereits bei der Kommissionsarbeit war die Mitte-Links-Bindung für einige Entscheide relevant. Und wenn es juristisch das Gleiche ist, kann man die Formulierung auch anpassen. Es kann ja sein, dass dies auch beim Sozialhilfegesetz besser wäre. 

 

3. Änderung des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern (Liegenschaftensteuer) (20/GE 29/573) 

2. Lesung 

Inhaltlich gab es keine Anpassungen. Es wurden aber nochmals Voten eingebracht, die grundlegend gegen diese Abschaffung sind. Auch wurde nochmals gefordert, dass sich der Kanton am Steuerausfall der Gemeinden beteiligen muss. 

Ich kann mir gut vorstellen, dass zu dieser Gesetzesanpassung das Referendum ergriffen wird.

 

4. Parlamentarische Initiative von Judith Ricklin, Pascal Schmid, Urs Schär, Ralph Wattinger vom 5. Juli 2023 „Keine Discountbussen bei Littering!“  (20/PI 10/534) 

2. Lesung 

Inhaltlich gab es auch hier keine Anpassungen. Die Diskussion wurde darüber geführt, ob die Tiere auf der Weide nun Verletzungen durch Aludosen oder Nägel, Drähte und Isolatoren erleiden. Auch die schwierige Umsetzung wurde nochmals eingebracht.

Als Innenstadtbewohner sehe ich die Vorlage aus einem anderen Blickwinkel. Ich bin überzeugt, dass da die Umsetzung einfacher und die Anpassung für die Polizei hilfreich sein kann.

 

5. Fragestunde (24/FR 1/22) 

Es sind fünf Fragen eingegangen, die die Regierung mündlich beantworten wird:

1. Stefan Leuthold: Mit welchen Massnahmen kann der Regierungsrat Solar-Gründächer zur Steigerung der Biodiversität im urbanen Raum verstärkt fördern? 

RR Dominik Diezi: Solargründächer sind sinnvoll. Information dazu werden von den zuständigen Amtsstellen abgegeben. Die Nachfrage ist gering. Aufgrund der aktuellen Finanzlage ist eine finanzielle Förderung nicht gegeben.

2. Robin Spiri: Würde der Regierungsrat eine Verteilung in den Lotterie- und den Sportfonds im Verhältnis 50 / 50 befürworten?

RR Denise Neuweiler: Die Botschaft dazu ist in Arbeit. Die bereits eingereichte Motion ist hängig.

3. Waltraud Schönegger: Während des Abstimmungskampfs für die Prämienentlastungs-Initiative wurde von einem Regierungsrat mehrmals eine Abstimmungsempfehlungen in der Thurgauer Zeitung als Inserat publiziert. Hatte es einen Grund, dass dies nicht im Gremium geschah? Und: Wie ist die rechtliche Grundlage für Inserateschaltungen eines Regierungsrates für einen Abstimmungskampf.  Wer trägt die Kosten? 

RR Urs Martin: Der Regierungsrat äussert sich jeweils bei Abstimmungen mit hoher Betroffenheit für den Kanton.

4. Karin Bétrisey: Was unternimmt der Regierungsrat konkret, um die Stimmbevölkerung der betroffenen Standortgemeinden von Windenergiegebieten von der Notwendigkeit der Windenergie am erneuerbaren Strommix zu überzeugen?

RR Walter Schönholzer: Die Abstimmung zum Stromgesetz fand im Thurgau grosse Zustimmung, allerdings nur, wenn Windräder nicht vor der eigenen Haustüre stehen. Reale Ängste müssen reduziert werden. Ein stärkerer Nutzen für die betroffene Bevölkerung bei Abgeltung wird angestrebt. Der Kanton soll weiterhin unterstützen und sachlich informieren, aber keine aktive Einmischung in Gemeindeangelegenheiten machen.

5. Kenny Greber: Der Kanton Thurgau kennt in der Sozialhilfe keinen Vermögensfreibetrag für die betroffenen Menschen, ist es der Regierung bewusst, dass er dies so handhabt? Ist die Regierung bereit, diese Praxis nach den SKOS-Empfehlungen zu ändern?

RR Urs Martin: Eigenes Vermögen ist voll anzurechnen, dies steht so im Gesetz. Gesetzlich wären auch Freibeträge möglich, die Regierung sieht dies aber nicht so. Der Vollzugsaufwand wäre unverhältnismässig.

 

 

6. Geschäftsbericht 2023, umfassend den Rechenschaftsbericht des Regierungsrates und die Staatsrechnung sowie den Tätigkeitsbericht 2023 des Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (20/BS 65/672) 

Das Haupttraktandum der heutigen Sitzung ist die Behandlung des Geschäftsberichtes.

Durch meine Arbeit in der GFK ist dieses Geschäft gefühlsmässig bereits erledigt. Nach der Vorberatung in den Subkommissionen, der Session und dem Schreiben des Berichtes liegt es emotional schon weit zurück. Bei den gehaltenen Voten frage ich mich oft, wieso diese Fragen oder Anregungen nicht via die GFK-Mitglieder eingebracht wurde. Aber eben, die Mehrheit des Grossen Rates befasst sich erst vor dieser Sitzung mit dem Geschäftsbericht, was auch legitim ist.

Wie jedes Mal zu Beginn einer Legislatur überschneiden sich die Ereignisse. Die Vorberatung der Rechnung fand in der alten Legislatur statt, die Neubesetzung der GFK Mitte Mai und die Session Ende Mai/ Anfang Juni. Dies hatte zur Folge, dass bei der Beratung eine neu zusammengesetzte GFK (8 neue Mitglieder) die Vorarbeit der Subkommissionen weitergeführt hat. Bei der Beratung des Departementes DFS mussten sogar «Gäste» eingeladen werden, da alle vier Mitglieder der Subkommission aus der GFK ausgetreten sind.

Im Zusammenhang mit der Rechnungslegen werden in den Subkommissionen auch Ämterbesuche durchgeführt. Persönlich erachte ich diese als sehr wichtig, da sie ohne Regierung stattfinden, also direkt zwischen Amtsleitung und Parlament. Die Zusammenfassung dieser Besuche sind im Bericht der GFK nachzulesen.

 

Die Rechnung schliesst zwar um rund 8 Mio. besser ab, als budgetiert, aber halt immer noch mit einem Minus. Die grosse Diskussion erfolgt daher darüber, ob wir nun ein Ausgaben- oder Einnahmenproblem haben. Dem stehen je nach Ansicht zu viele Stellen zur Erfüllung der Staatsaufgaben und fehlende Einnahmen der Nationalbank und dem Finanzausgleich gegenüber.

Persönlich bin ich der Meinung, dass beides dazu beiträgt, aber noch nicht beängstigend ist. Wir haben noch Reserven und Rückstellungen. Und die Frage der Erfüllung der Staatsaufgaben sollte nicht nur gestellt werden, wenn man wenig Geld hat, sondern immer. Und wenn wir dann zwei, drei negative Abschlüsse hatten und die Reserven schwinden, müssen wir eben eine Steuererhöhung in Betragt ziehen. 

 

Die Rückmeldungen zur Rechnung und zu einzelnen Positionen gingen wie immer stark auseinander. Digitalisierung, Förderprogramme, Steuererhöhung und Berichte zu den Legislaturzielen sind einige der Schlagwörter, welche genannt wurden.

Zum DEK gab es keine einzige Bemerkung. Als Präsident dieser Subkommission hat mich dies zwar gefreut, aber eben auch etwas überrascht. Die Ausgaben bei der Sonderschulung sind im letzten Jahr um rund 10 Mio. Franken gestiegen und in Zukunft stehen bei den Schul- und Museumsbauten grosse Investitionen an. 

 

Der Geschäftsbericht 2023 (Rechenschaftsbericht des Regierungsrates und Staatsrechnung 2023) wird mit 108 Ja ohne Gegenstimme angenommen.

Der Aufwandüberschuss von Fr. 39'863'878.78 wird mit 107 Ja zu einer Enthaltung dem Bilanzüberschuss entnommen. 

 

7. Motion von Iwan Wüst-Singer, Christian Mader, Lukas Madörin, Peter Schenk, Marcel Wittwer, Cornelia Hauser, Brigitta Engeli-Sager, Barbara Müller, Paul Koch, Konrad Brühwiler vom 28. Februar 2024 „Standesinitiative WHO: Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV)“ 

(20/MO 53/648) 

Beantwortung, Diskussion, Beschlussfassung 

Da Iwan Wüest nicht mehr im Grossen Rat ist, hätte Peter Schenk sein Votum halten sollen. Dieser ist aber abwesend. Als erster meldet sich Andreas Sigrist. Er spricht allerdings direkt als Vertreter der Fraktion EDU/Aufrecht, was eigentlich nicht geht. Dann meldet sich Marcel Wittwer zu Wort und verliesst das Votum von Peter Schenk. Und nach anderen Fraktionen hält er auch noch ein persönliches Votum. Dabei wurde er vom Grossratspräsidenten ermahnt, wieder auf die Vorlage einzugehen und nicht zu weit abzuschweifen.

Und worum geht es überhaupt? Aus meiner Sicht um zwei Punkte: 

- Steht die WHO über dem Schweizer Gesetz? 

- Vertrauen wir dem Bundesrat und dem nationalen Parlament oder nicht?

Ich muss dazu erwähnen, dass ich dies als Minderheitsvertreter der EVP schreibe. Wie bei uns gehen auch die Meinungen im Rat weit auseinander. Elisabeth Rickenbach hält für die Fraktion ein Minderheitsvotum.  

Die Motion wird mit 32 Ja zu 68 Nein und 6 Enthaltungen abgelehnt. (EVP 3 Ja, 2 Nein, 1 Enth.)

 

8. Antrag gemäss § 52 der Geschäftsordnung des Grossen Rates von Stefan Leuthold vom 8. November 2023 „Thurgauer Stromversorgung“ (20/AN 10/594) 

Beantwortung, Diskussion, Beschlussfassung 

Aufgrund eines Anschlusstermins des zuständigen Regierungsrates Walter Schönholzer stellt der Präsident einen Ordnungsantrag, dieses Traktandum zu verschieben. Da der Antragsteller Stefan Leuthold auch dafür war, nahm ich wie 103 andere Anwesende den Ordnungsantrag an.

 

9. Interpellation von Sonja Wiesmann Schätzle, Elina Müller vom 25. Oktober 2023 „Evaluation Potential betreffend gemeinnützigem Wohnungsbau“ (20/IN 56/585) 

Beantwortung

Die Mitinterpellantin Elina Müller beantragt Diskussion, welcher grossmehrheitlich zugestimmt wird. Zu Beginn stellt sie klar, dass gemeinnütziger Wohnungsbau nicht Sozialwohnungsbau ist. Gemeinnützige sind oft Genossenschaften mit oder ohne Beteiligung der öffentlichen Hand. Die Mieten sind dabei rund 1/4 tiefer als bei anderen Liegenschaften. Preisgünstige Wohnungen und eine stärkere Förderung sind aus Sicht der Befürwortenden nötig. Auch Thurgauer Land sowie Darlehen sollten günstig zur Verfügung gestellt werden. 

Ja, es ist so, dass das Wohnen immer teurer wird. Allerdings wurde früher bis zu einem Drittel des Einkommens für das Dach über dem Kopf verwendet. Heute sind wir bei maximal einem Viertel. Demzufolge ist das Wohnen im Verhältnis zum Einkommen eher günstiger geworden. Der grösste Eigentümer von Mietwohnungen sind Pensionskassen. Wenn die Mietkosten günstiger sein sollten, würde auch die Rendite kleiner. Es geht also zu Lasten der Versicherten. Mir ist klar, dass auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten gestiegen sind und Ausgaben für Handy, Mobilität und Freizeitgestaltung eine grössere Bedeutung haben. Ich bin aber der Meinung, dass das Problem von günstigem Wohnraum regional stark variiert und die Förderung daher den Gemeinden überlassen werden sollte.

 

10. Interpellation von Nicole Zeitner, Sabina Peter Köstli, Martina Pfiffner Müller, Barbara Dätwyler Weber vom 21. Juni 2023 „Aktueller Stand der Angebotsdatenbank 'Sozialnetz Thurgau'?“ (20/IN 47/525) 

Beantwortung 

Nicole Zeitner stellt den Antrag auf Diskussion, welchem grossmehrheitlich stattgegeben wird. Sie moniert, dass die technischen Möglichkeiten dieser Plattform zu wenig ausgenutzt werden.  Es wurde gut begonnen, aber nicht durchgezogen. Gemäss Sabina Peter Köstli stellt sich hierbei die Huhn- oder Ei-Frage. Wird das Angebot mässig benutzt, weil die Seite schlecht bewirtschaftet wird, oder wird sie schlecht bewirtschaftet, weil das Angebot mässig benutz wird? Einige erwähnen, dass die Suche oft über Google erfolge und dann direkt auf die Angebote zugegriffen werde. Die Regierung erwähnt, dass nochmals Aktivitäten bei den Gemeinden angeregt wurden, die Rückmeldungen aber spärlich waren. Dies wird aber sogleich dementiert, da die Gemeinden keine solche Information erhalten haben. Das Angebot läuft gemäss Leistungsvereinbarung bis 2025 weiter. Gemeinden, Institutionen sowie der Kanton sind also gefordert, die Zeit bis dahin zu nutzen und gemeinsam eine gute, finanzierbare Lösung für die Betroffenen zu finden.

 

Die Traktanden 11 und 12 werden an einer der nächsten Sitzungen behandelt.

 

Zum Schluss der Sitzung verliesst der Präsident die Neueingänge und schliesst die Sitzung um 16.35 Uhr.