Berichterstatter: Kantonsrat Roger Stieger
«Kampf-Arena Budget 2025» 05.12.2024
Geschätzte Leserschaft, wie kann diese heutige Sitzung einfach beschrieben werden? Es scheint mir so, als befänden wir uns in einer Wettkampf-Stimmung. Mehrfach wurde uns ein langer Tag, eventuell bis in den Abend hinein, prophezeit.
Bereits haben wir uns um 07:10 Uhr in der Fraktion getroffen. Im Schnellverfahren haben wir die vielen Anträge zur Budgetaufnahme und Budgetstreichung nicht vollständig diskutieren können. Die unterschiedlichen Meinungen der Fraktionsmitglieder waren spürbar. Bereits in unserer Vorsitzung war die Luft teilweise sehr dick. Das Öffnen der Fenster konnte hier nur eine leichte Erfrischung bewirken.
Würde ich heute ein Wettbüro betreiben, so würde ich die Wette entgegennehmen; ob es heute einen präsidialen Abstimmungsentscheid geben wird, JA/Nein mit Stichentscheid? Die Abstimmungsresultate spalten den Rat teilweise in ihrer Parität, Links/Rechts.
Die detaillierten Abstimmungsresultate über die ca. 30 Anträge können Sie im Protokoll auf der kantonalen Seite nachlesen.
Die Glocke eröffnet das Schaulaufen der heutigen wichtigen Arena. Anwesende Ratsmitglieder zu Beginn 128, erwartet 129 Personen.
Wo soll was und wie gespart werden? Folgen wir dem Kommissionsbericht der GFK (Geschäftsprüfungs-Kommission)? Welche Vorstösse werden Erfolge bewirken, zu welchem Preis? Werden die Thurgauer Einwohner die Profiteure bleiben?
Ist es gut, die Entlöhnung des Regierungsrates um je 15'000 Franken zu kürzen? Oder müssten den Mitgliedern des Grossen Rates jeweils 50 Franken pro Sitzungstag gestrichen werden? …Fahrtaufnahme der Antragsflut…!
Nun wird ein Antrag gestellt, dass die Redezeit auf nur eine Minute gekürzt werden soll. Alles, was recht ist, aber eine Minute ist in dieser Budgetarena schon sehr wenig (abgelehnt).
Meine persönliche enge Platz- und Tischorganisation hier im Rat ist herausfordernd für mich. Ich habe nun bis zu fünf Dokumente offen liegen, die mir eine Orientierung und Übersicht bewahren. Durch das hohe Ratstempo erkenne ich in meinem Umkreis immer wieder ein Staunen, ein Suchen, ein Ringen nach Orientierung.
Walter Schönholzer zeigt dem Rat auf, dass eine Positionsstreichung weitgehende Konsequenzen mit sich bringt. Einige Folgen darin zu erkennen, setzen vertiefte operative Kenntnisse voraus. Eine Aussage von unserem RR Walter Schönholzer: Mann/Frau soll nicht den Sack, sondern den Esel schlagen. Meine persönliche Übersetzung: Die Umstände, die Richtung, die Wirkung sollten betrachtet werden, nicht die Kosten.
Christian Stricker stellt den Antrag, den Güterverkehr Rübentransport wieder ins Budget aufzunehmen (50'000 Franken). Soll der saisonale Rübentransport nach Frauenfeld weiterhin über die Bahn geschehen dürfen? Weniger Stau, weniger Emissionen; sollen ca. 1000 Traktoren-Transporte aktiviert werden (71 Nein / 51 Ja)?
Wir befinden uns nun kurz vor der Mittagspause, dem «Klausessen». Wussten Sie, dass jedes Mitglied eine Beteiligung für sein Essen von Fr. 20.- zusteuern muss (Kanton Fr. 10.-, SVP Fr. 6.5)? Diese Tatsache finde ich persönlich etwas «stossend», ist dieses Essen unser «Weihnachtsessen».
Zurück mit vielen Samichlaus-Weisungen starten wir wieder in die zweite Arena-Spielhälfte.
Jetzt ist es Norm, eine Minute Sprechzeit. Unser Grossratspräsident, Peter Bühler, stellte einen Ordnungsantrag. Nun erlebe ich eine Prise der Veränderung im Rat. Vergleicht man es mit einem Zirkus, «Zirkus-Minutus». Die jeweilige Votums Geschwindigkeit ist zu vergleichen mit einer WhatsApp-Nachricht, die im 2er, 4er Abspielmodus abgespielt wird. Viele schütteln den Kopf!
Jetzt ist es so weit… 64 Nein / 63 Ja, doch nicht! Antrag in der Kürzung «Notariats…». Fast hätte mein «Wettbüro», wie oben beschrieben, hier die Wette betreffend den präsidialen Entscheid, entgegennehmen und auszahlen müssen.
Wir befinden uns in der Ausdauerphase. Es erfordert eine grosse kognitive Präsenz im Rat. Es werden Millionen gestrichen oder wieder gutgeschrieben. Grundsätzlich halten wir uns innerhalb der Fraktion an den GFK-Schlussbericht. Christian Stricker ist mein Tischnachbar. Er bearbeitet, streicht, formuliert an einem Votum. Er ist sich bewusst, dass seine Redezeit ebenfalls sportlich sein muss.
Die Sonne strahlt nun in den Raum. Ein Genuss, den einige aufnehmen.
Braucht das neue Verwaltungsgebäude ein freundliches Gesicht in der Lobby? Der Rat sieht das nicht so. Einsparungen von rund Fr. 140'000.- sind wichtiger. Wird hier am richtigen Ort gespart? Unsere Fraktion sieht das als eine Art «Visitenkarte». Ein Raunen, oh schade, geht durch unsere Fraktionsreihen.
Ein Blick auf die Uhr, Blick rundum, wir brauchen nun eine Pause. Die Budget-Arena läuft geordnet mit dem Respekt an die jeweiligen Andersdenkenden. Ich habe die Übersicht bezüglich des Summs-Summariums verloren. Deshalb sitzen auf der Tribüne Vertreter des Finanzamtes und sollen nun wieder einen Überblick bringen.
Wir befinden uns in der Nachspielzeit in der Schlussphase. Die spannende Schlussabstimmung steht noch an, ebenfalls die Steuerfusserhöhung. Soeben hat sich ein Redner entschuldigt, dass er keinen Antrag bringen werde. Diese Aussage bezeugt, dass die Antragsflut überwältigend war.
Jetzt das Finale, jetzt befinden wir uns in der Kampfarena. Hoch emotional und angespannt. Ich denke soeben an ein Penaltyschiessen, Links-Rechts, 0-8 Punkte Steuerfuss-Erhöhung. Leben wir von unserem angesammelten Vermögen, haushalten wir daraus. Es geht nicht darum, keine Lust auf eine Erhöhung der Steuern zu haben, die Finanzlage unseres Haushalts, ist «rot»! Alle Anwesenden wollen das Beste für unseren Kanton. Wie würden Sie darüber entscheiden, ja… nein?
Der RR Urs Martin bringt uns alle zum Staunen. Alle heutigen Sparbemühungen (ca. 30 Anträge) haben ca. 200.000 Franken an Mehraufwand im Budget bewirkt. Eine Ernüchterung! Es gibt keine Steuererhöhung! Vertagen wir diese Arena um 12 Monate ins Jahr 2025.