Bericht zur Grossratssitzung vom 02.03.2022

Bericht zur Grossratssitzung vom 02.03.2022

Berichterstatter: Kantonsrat Roland Wyss, Frauenfeld

 

Pünktlich um 09.30 Uhr begrüsst die Grossratspräsidentin zur halbtägigen Sitzung.

Heute stattet uns das Büro des Grossen Rates des Kantons Aargau einen Besuch ab, weshalb die Sitzung um ca. 11.30 beendet wird.

 

Es sind 116 Grossrätinnen und Grossräte anwesend. Der Rat ist beschlussfähig.

 

Zu Beginn der Sitzung gibt die Präsidentin einige Gedanken zum Krieg in der Ukraine weiter.

Wir alle sind betroffen und berührt. Egal welche politische Ausrichtung wir haben, Demokratie ist etwas Starkes. Damit kann sich eine Gesellschaft formen und weiterentwickeln. Seit letzter Woche haben wir die Gewissheit, wie verletzlich das alles ist. Krieg bedeutet viele Tote und die Zerstörung eines Landes. Das zugefügte Leid ist aufs Schärfste zu verurteilen. Wir müssen uns darauf besinnen, was wir zur Linderung dieses Leides beitragen können.

Das Büro hat entschieden, während der Sitzung ein Licht brennen zu lassen.

Es folgt eine Schweigeminute und ein Aufruf für Spenden zugunsten der Betroffenen des Krieges.

 

 

1. Ersatzwahl einer Stimmenzählerin oder eines Stimmenzählers für den Rest der Amtsdauer (20/WA 41/273)

Für die Ersatzwahl einer Stimmenzählerin anstelle von Gina Rüetschi ist Kantonsrätin Isabelle Vonlanthen vorgeschlagen.

Die Wahl findet offen statt. Sie wird mit grosser Mehrheit gewählt.

 

2. Ersatzwahl eines Mitglieds der Gesetzgebungs- und Redaktionskommission für den Rest der Amtsdauer (20/WA 42/274)

Für die Ersatzwahl in die GRK ist, auch anstelle von Gina Rüetschi, Kantonsrätin Erika Hanhart vorgeschlagen. Die Prüfung der Unvereinbarkeit durch das Büro ist erfolgt.

Diskussion wird nicht benutzt.

Die Wahl findet offen statt. Erika Hanhart wird mit grosser Mehrheit gewählt.

 

3. Wahl von ausserordentlichen Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern am Bezirksgericht

Arbon (20/WA 44/281)

Auf Antrag der Präsidentin wird die Wahl von zwei ausserordentlichen Berufsrichterinnen auf die Sitzung vom 16. März verschoben. Durch die erstmalige Anwendung des neuen Artikel 22 Abs. 3 ZRSG sind zusätzliche Abklärungen und Entscheide durch die Fraktionspräsidentenkonferenz erforderlich.

 

4. Motion von Toni Kappeler, Dominik Diezi und René Walther vom 27. Januar 2021 "Friedensstiftender bäumiger Klimaschutz in Stadt und Dorf" (20/MO 9/114)

Beantwortung, Diskussion, Beschlussfassung

Die Motion verlangt eine Änderung des Gesetzes über Flur und Garten in dem Sinne, dass bei Pflanzungen neu eine Verjährungsfrist von 10 Jahren eingeräumt wird.

 

Die Motionäre, vertreten durch KR Kappeler betonen, dass ein bestehender Baumbestand, der die Nachbarn nicht stört, keinem Nachbarschaftskrieg zum Opfer fallen darf, was im ZGB bereits so geregelt ist. Heute ist es so, dass Jahrzehnte alte Bäume plötzlich gefällt werden müssen. Die Motionäre verlangen die Einführung einer Verjährungsfrist von 10 Jahren und eine Überarbeitung des Gesetzes. Zudem weisst er auf die Wichtigkeit der Bäume im Allgemeinen hin.

 

Beda Stähelin spricht für eine Mehrheit der Fraktion Die Mitte/EVP. Grundlegend ist es gut, Bäume zu erhalten. Die rechtliche Problematik sei aber auch zu respektieren und in diesem Fall höher zu gewichten. Es kann nicht sein, dass die Verjährung bereits dann greift, wenn der Baum seine schlussendliche Grösse noch nicht erreicht hat.

Auch die Fraktion SP/Gewerkschaften schliesst sich diesem Standpunkt an und sieht keinen Handlungsbedarf, das Gesetz anzupassen. Viktor Gschwend von der FDP hat als Gärtner gewisse Sympathien für diese Motion, sieht aber auch grosse rechtliche Probleme bei der Umsetzung, was sich auch negativ auswirken kann. Er könnte sich dies bei Hochstämmern und Alleebäumen vorstellen, sieht aber keine generelle Durchsetzbarkeit. Auch die SVP- und die EDU-Fraktion ist dieser Meinung und will an der bestehenden Regelung festhalten.

Die GLP hingegen unterstützt die Motion, da sie den Schutz von Bäumen für wichtig erachtet.

Beat Pretali verliesst das Votum von Mitmotionär René Walter. Er hat eine andere Wahrnehmung als die Regierung. Die meisten Fälle kommen gar nicht erst zur kantonalen Verwaltung, da Streitigkeiten oft durch ein Gespräch gelöst werden. Und ja, es gibt die Möglichkeit, die Standorte der Bäume mit Dienstbarkeiten zu regeln. Allerdings ist dies realitätsfremd. Das Problem ist, dass hier öffentliches Recht auf das Privatrecht trifft. Kann ein alter, bestehender Baum aufgrund eines neuen Baureglementes beurteilt werden? Er glaubt dies nicht.  

Der Regierungsrat Walter Schönholzer meint, dass eine 10-jährige Frist keine Lösung des Problems sei. Zudem ist der Vergleich mit anderen Kantonen schwierig, da die Gesetze dort oft sehr alt sind. Die Verjährungsfrist wird nicht zu weniger Baumfällungen führen und ganz sicher nicht zu weniger Streitigkeiten.

Die Motion wird mit grosser Mehrheit nicht erheblich erklärt. Die EVP hat sich grossmehrheitlich enthalten.

 

5. Leistungsmotion von Peter Bühler, Hans Feuz, Viktor Gschwend, Stefan Mühlemann, Iwan Wüst und Ueli Fisch vom 27. Oktober 2021 "Strassenverkehrsabgaben – Weniger Gebühren wären mehr!" (20/LM 3/238)

Stellungnahme, Diskussion, Beschlussfassung

Peter Bühler, Die Mitte, spricht als Motionär. Es werden schweizweit bei den Gebühren über 100 Mio. Franken zu viel erhoben, im Thurgau sind es rund 4 Mio. Franken. Die Regierung hat zwar das Problem erkannt und will auch etwas dagegen tun, beantragt aber eine Nichterheblicherung. Gebühren müssen kostendeckend sein, nicht mehr und nicht weniger. Die Gebührenhöhe der Administrativmassnahmen bei Verkehrsdelikten soll nicht angepasst werden.

 

Die GLP schliesst sich dieser Meinung an. Gewinne konnten nur durch die effiziente Arbeit des Strassenverkehrsamtes erreicht werden. Dies soll auch Ziel eines Amtes sein. Sie sprechen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein grosses Kompliment aus. Die vorgeschlagene Schwankungsreserven von 10% erachten sie als zu hoch, 3% reichen auch aus. Die FDP unterstützt den Vorredner. Sie sind Inhaltlich nicht ganz zufrieden und fordern auch eine kostendeckende Reduktion und somit die Erheblicherklärung der Leistungsmotion. Auch die EDU sieht dies so.

Die SVP und die Grünen sind sich für einmal einig und sind mit der Beantwortung zufrieden. Auch die SP/Gewerkschaft-Fraktion schliesst sich dieser Meinung an. Die Gebühren werden überprüft und eine Zusage der Kostenüberschussdeckelung von 10% reicht aus. Sie lehnen die Motion ab und werden den Regierungsrat, wenn nötig an das Versprechen erinnern.

Hans Feuz, Die Mitte/EVP fügt an, dass Gebühren in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen sollen. Diese Beschreibung lässt sicherlich Spielraum zu. Er erachtet die 10% aber auch als zu viel und fügt an, dass Gebühren nicht Steuern sind.

Die Regierung setzt sich vehement für den ausgewogenen Vorschlag ein. Dies sein ein guter Thurgauer Kompromiss. Zudem fügt sie an, dass die geforderte Reduktion demotivierend für die Angestellten sei.

Zwei persönliche Bemerkungen kann ich mir nicht verkneifen:

Erstens sehe ich keinen Zusammenhang zwischen einer Reduktion von Gebühren und einer Demotivation von MitarbeitInnen. Im Gegenteil, dies ist doch vielmehr eine Motivation und eine Anerkennung, dass sie gut gearbeitet haben. Es werden dadurch ja nicht die Löhne gekürzt.

Zweitens wird in den Voten meines Erachtens zu oft vermischt zwischen Gebühren und Abgaben, auch durch die Regierung. Denn was haben Vorführgebühren mit Strassenverkehrsabgaben zu tun?

Die Leistungsmotion wurde mit 41 Ja zu 64 Nein für Nichterheblich erklärt. Die EVP sagt 2x Ja, 1x Nein bei 3 Enthaltungen.

 

 

6. Motion von Marco Rüegg, Bernhard Braun, Nicole Zeltner, Josef Gemperle und Eliane Müller vom 21. April 2021 "Zubau von Elektroladestationen im Kanton Thurgau" (20/MO 14/174)

Beantwortung, Diskussion, Beschlussfassung

Marco Rüegg, Motionär der GLP ist seit 10 Jahren E-Fahrzeugfahrer. Anders als die Regierung ist er der Meinung, dass sich der Markt nicht von selber reguliert und Gesetzesanpassungen notwendig sind. Der Anteil an E-Autos ist auch im vergangenen Jahr gestiegen, aber immer noch deutlich zu wenig. Die Ursache liegt oft an der Unmöglichkeit fürs Laden. Mieter und Arbeitnehmende haben oft keine Zugangsmöglichkeit zu Ladestellen.

Die Fraktion SP/Gewerkschaft stellt fest, dass Ladestationen nicht eingeplant werden. Der Strom für solche Stationen muss zwingend erneuerbar sein. Sie sehen ein grosses Potential zur Nutzung der Batterien. Dies sehen auch die Grünen so und bemängeln die Absetzung der Unterstützung von E-Autos durch den Kanton. Die EDU bemerkt, dass der Strom immer knapper wird und Anstrengungen unternommen werden müssen. Für Sie ist Wasserstoff aber auch eine Alternative, die gefördert werden muss.

Die FDP und die SVP sind für Nichterheblicherklärung. Sie sehen, dass der Thurgau schon viel macht und kein Gesetz dazu nötig ist. Sie unterstützen die Regierung und sehen das Zurverfügungstellen von Ladestationen nicht als Pflicht.

Josef Gemperle vertritt als Mitmotionär die Mehrheit der Die Mitte/EVP-Fraktion und beantragt Erheblicherklärung. Er verweist auf vier Punkte:

1. Einordnung der Elektromobilität: Ist die E-Mobilität eine Modeerscheinung? Er sieht dies nicht so, sondern ist der Meinung, dass dies die Zukunft ist.

2. Bedeutung für die Netze und die Stromversorgung: Es werden hohe Netzleistungen benötigt und die Ladung muss gesteuert werden. Nur so kann ein Kollaps verhindert werden.

3. Haben Arbeitnehmende und Mieter kein Recht auf E-Mobilität? Dies kann nicht sein und es müssen für alle die gleichen Möglichkeiten bestehen.

4. Können wir das Problem mit Förderung lösen? Hier sieht er das nicht. Es braucht gesetzliche Grundlagen E-Mobilität für alle zu ermöglichen.

Auch hierzu möchte ich noch ein paar persönliche Gedanken einbringen:

Ist es Aufgabe des Staates, Mobilität so direkt zu fordern und fördern? Mir ist bewusst, dass diese Haltung nicht sonderlich beliebt ist. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Mobilität im Allgemeinen nicht mehr so stark steigen kann, wie in den letzten Jahren. Der ökologiste Kilometer ist immer noch derjenige, der nicht zurückgelegt wird.

Und eine Forderung, dass Vermieter oder Arbeitgeber mittels eines Gesetzes eine Tankstelle für alle und jederzeit zur Verfügung stellen müssen, finde ich übertrieben. Dies hat auch Investitionskosten zur Folge, welche in der Regel nur dann vom Vermieter bezahlt werden, wenn er die Wohnungen sonst nicht mehr vermieten kann. Meistens tragen aber die Mieter und Arbeitnehmenden die Kosten. Ich bin für eine Förderung oder sogar eine Pflicht bei Neubauten, aber bei bestehenden Mehrfamilienhäusern sehe ich dies als sehr problematisch.

 

Die Sitzung wird um 11.35 Uhr unterbrochen und das Geschäft in 14 Tagen weiter beraten.

Die Traktanden 7 und 8 werden an einer der nächsten Sitzungen behandelt.

 

Es sind keine Neueingänge zu verzeichnen.

 

Am Schluss erfolgt die Verabschiedung von Gina Rüetschi, welche den Rat nach 11 Jahren verlässt.