Bericht zur Grossratssitzung vom 8. Dez. 2021

Bericht zur Grossratssitzung vom 8. Dez. 2021

Berichterstatter: Kantonsrat Mathias Dietz

 

Nach der Fraktionssitzung, an der auch unser Kantonalpräsident Wolfgang Ackerknecht teilnahm, begrüsst die Grossratspräsidentin Brigitte Kaufmann zur letzten Sitzung des Grosssen Rates im 2021 121 Mitglieder (am Nachmittag sind noch 119 Mitglieder anwesend). Aus unseren Reihen musste sich Elisabeth Rickenmann coronabedingt entschuldigen lassen.

 

Corona-Infofenster durch den Regierungsrat

 

Bevor die traktandierten Geschäfte behandelt werden, informiert RR Urs Martin über die angespannte Corona-Situation. Die Ostschweizer-Kantone hatten sich bezügliche den Massnahmen abgesprochen. Danach kamen die neuen Massnahmen des Bundes. Braucht es die kant. Massnahmen jetzt immer noch? Der Kanton Thurgau hält an der erweiterten Maskenpflicht fest - auch an Veranstaltungen, an denen 2G und 3G gilt, sollen Masken getragen werden. Die Situation auf den IPS ist angespannt. Urs Martin dankt dem Pflegepersonal herzlich. Es ist wichtig, dass auch andere Patienten versorgt werden können. Der Kanton Thurgau ist bei Booster-Impfung über dem CH-Schnitt. Die Booster-Impfung in den Altersheimen ist abgeschlossen. In der KW 50 wird in Spitäler und Rehas „geboostert“, KW 50/51 in allen sozialen Institutionen. Ab Januar werden wieder mobile Impfequipen im Kanton unterwegs sein.

RR Cornelia Komposch informiert, dass die Testkapazitäten am Anschlag sind. Die Labors kommen kaum noch nach und die Resultate manchmal erst nach 36 Stunden.

 

Amtsgelübde von Kantonsrat Markus Birk

Kantonsrat Markus Birk ist der Stadtpräsident von Diessenhofen. Er folgt auf die zurückgetretene SP-Kantonsrätin Marianne Sax.

 

Voranschlag 2022 und Finanzplan 2023–2025  (Detailberatung, Beschlussfassung).

Der Rat behandelte den Voranschlag 2022 und den Finanzplan 2023–2025. Im Anschluss ist dann die Diskussion um den Steuerfuss sehr kontrovers und zum Teil emotional.

Bei der Detailberatung werden zwei Anträge für Aufstockung von je Fr. 100‘000 zur Bekämpfung von Littering und für den Versuchsbetrieb in Tänikon eingereicht. Die zuständigen Regierungsräte würden solche „Geschenke“ gerne entgegennehmen, doch gäbe es dann noch viele Themen, wo man aufstocken könnte. Die Anträge haben keine Chance. Der geplante Umbau und Sanierung des Gebäudes der Seepolizei gibt wegen den hohen budgetierten Kosten zu reden. RR Haag will sich einsetzen, dass die Kosten doch noch etwas tiefer ausfallen könnten und z.B. die Reserve von über 400.000 nicht angetastet werden muss.

Beim Rahmenkredit für die Digitale Verwaltung wird zu bedenken gegeben, dass die Menschen ohne Zugang zum „digitalen Leben“ nicht vergessen werden dürfen. Die Grünen erwähnen, dass der Energiefonds jährlich mit „nur“ 7 Mio gespiesen und dies gerade in der heutigen Zeit, wo wir dem Klimawandel entgegenwirken müssen, viel zu wenig sei. Erwähnt wurde der neue Verein „Schadenorganisation Erdbeben“. Jährlich wiederkehrende Kosten von Fr. 15‘000 werden länger im Budget bleiben. Der Verein SOE muss gegenüber den Kantonen Rechenschaft ablegen.

Von EVP-Seite hielt Christian Sticker ein Votum zum „Langsamverkehr“:

 «Im Namen der Fraktion Die Mitte/EVP habe ich eine Bemerkung zum Langsamverkehr. Das neue Bundesgesetz über Velowege (Veloweggesetz), dem das Stimmvolk am 23. September 2018 mit 73,6% zugestimmt hat, wird aktuell auf nationaler Ebene behandelt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Gesetz bereits in wenigen Wochen, im Januar 2022, im Nationalrat verabschiedet und rechtskräftig wird. Kernstück ist die Verpflichtung der Kantone zur Planung und Verwirklichung von Velowegnetzen. Dabei haben wir Manches: attraktive Tourismusrouten, beispielsweise entlang des Sees. Lokal wird insbesondere über die Agglomerationsprogramme zum Teil zielstrebig und kreativ investiert. In Amriswil wurde letzte Woche der Gestaltungsplan für die Neugestaltung des Bahnhofs in die Vernehmlassung geschickt. Die Kommission, in Protokoll des Grossen Rates vom 08. Dezember 2021 29/33 der unter anderem Kantonsrat Gabriel Macedo sitzt, hat hier vorzügliche Arbeit geleistet. Es überzeugt, wie das Miteinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer gelöst wird. Beim Alltagsverkehr für Velofahrer ist der Handlungsbedarf im schönen velofreundlichen Thurgau, aber nach wie vor hoch. Die überparteiliche Arbeitsgruppe "Alltagsradverkehr" mit den Kantonsrätinnen Cornelia Hasler, Nicole Zeitner, Sabina Peter Köstli und Kantonsrat Stefan Leuthold hat am 21. Oktober 2020 darauf hingewiesen. Wohl gibt es bereits Ansätze bezüglich Schnellrouten für Alltagsvelofahrer. Dies wird in der Beantwortung des Regierungsrates vom 8. Dezember 2020 sichtbar. Der Handlungsbedarf steigt aber weiter. Auch im Austausch mit Peter Imbach, dem Abteilungsleiter Projekt Management Verkehr des Tiefbauamtes des Kantons Thurgau wurde das sichtbar. Obwohl wir topographisch ideale Voraussetzungen haben, gibt es bei der Vernetzung zwischen Orten und Regionen noch viel zu tun, um das Umlagerungspotential besser zu nutzen. Dennoch verzichtet die Fraktion Die Mitte/EVP auf einen Antrag zur Erhöhung des Budgets 2022 zugunsten des Ausbaus der Fachstelle Langsamverkehr. Ob beispielsweise direkte Streckenführungen eingefordert werden, wie es der Bundesrat und die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen wollen, oder ob möglichst direkte Streckenführungen nötig sind, wie es der Ständerat aktuell vorschlägt, hat Einfluss auf die Komplexität zur Umsetzung neuer Velowegnetze und entsprechend auf den nötigen Ausbau der Ressourcen. Wir hoffen, dass der Regierungsrat die Aufgabe, mit der der Kanton Thurgau als Landkanton Zeichen setzen könnte, ausreichend im Blick hat. In Richtung des Budgets 2023 werden wir allenfalls Vorstösse zu einer Budgeterhöhung zugunsten des Ausbaus der Fachstelle Langsamverkehr einreichen

Umstritten ist der Budgetposten zur OLS Thema. Toni Kappeler, GP: „Wir planen munter weiter, auch wenn OLS vielleicht gar nicht gebaut wird.“

Walter Knöpfli richtet einen wichtigen Appell ans Parlament, ein Augenmerk auf die Waldpflege zu legen und erwähnte vor allem das besorgniserregende Eschentriebsterben. Ein Resultat einer guten Waldpflege sieht man erst in 30 Jahren. Und dann ist es zu spät.

Diskussion zum Steuerfuss 2022

Wie der Regierungsrat schlägt auch die GFK eine Steuerfusssenkung von 5% vor. Es soll kein Jo-Jo-Effekt entstehen.

Die SVP beantragt eine Steuerfusssenkung von 8%. Dies sei ein Kompromissvorschlag und sie kommen den höheren Forderungen entgegen. Neuer Steuerfuss wäre dann 109%.

SP und Gewerkschaften wollen den Steuerfuss bei 117% behalten. Es kann nicht mit geschenkten Geldern (Nationalbank) eine Steuerfusssenkung erreicht werden. Die SNB hat immer betont, dass Kantone nicht mit den ausserordentlichen Beiträgen der SNB rechnen können.

Die Grünen: Wollen den Steuerfuss auf 117% belassen.

GLP: Haben ursprünglich einen Antrag auf 9% Steuerfusssenkung in Aussicht gestellt. Sie schliessen sich jetzt aber dem Antrag der SVP an. Die SNB hat 90 Milliarden Reserven.

FDP die Liberalen: Der Staatshaushalt ist fit, die Kassen gefüllt. Deshalb beabsichtigt die FDP eine Steuerfusssenkung um 10%.

EDU: Ist dankbar über die gute Finanzlage im Kanton Thurgau und wollen sich nicht auf die Ausschüttung der SNB verlassen. Die EDU sieht ab von kurzsichtiger Haltung und möchten auch Steuerfusssenkung  von 5% beantragen. Eine höhere Senkung ist unvernünftig.

Die Mitte/EVP: Über den Tellerrand schauen und nicht nur morgen in der Zeitung stehen. Störende Doppelbesteuerungen stehen heute auch noch zur Debatte. Deshalb der Antrag auf 5% Steuerfusssenkung und damit eine zukunftsgerichtete Vision haben.

Einige Votanten betonten, dass der Kanton vor grossen Aufgaben steht und die Pandemie und Klimakrise werden weiterhin fordern. Eine Steuersenkung könne sich der Kanton nicht leisten und wir würden schnell in einen Vermögensabbau rasseln.

RR Urs Martin „wirbt“ für 5 %. Der Kanton muss vorsichtig mit den Finanzen umgehen und eine glaubwürdige Politik betreiben, deshalb soll an einem Steuerfuss von 112% soll festgehalten werden.

Es folgen drei Anträge: 3 Anträge und das sind die Resultate:

Steuerfusssenkung um 8%: 67 Stimmen

Steuerfusssenkung um 5%: 26 Stimmen

Keine Steuerfusssenkung: 26 Stimmen

In der Detailberatung obsiegt also der Antrag, den Steuerfuss für das Jahr 2022 um 8 % auf 109 % zu senken. Damit sieht der Voranschlag 2022 in der Erfolgsrechnung bei 2'348'942'700 Franken Aufwand und 2'328'225'200 Franken Ertrag einen Aufwandüberschuss von 20'717'500 Franken vor. In der Investitionsrechnung schlagen bei Ausgaben von 118'748'400 Franken und Einnahmen von 43'447'000 Franken Nettoinvestitionen von 75'301'400 Franken zu Buch. In der Schlussabstimmung stimmt der Rat dem bereinigten Beschlussesentwurf mit 89:24 Stimmen zu.

Nach diesem langen Morgen und einer emotionalen Abstimmung zum Schluss gibt’s die wohlverdiente Mittagspause.

Am Nachmittag folgen weitere Geschäfte:

 

Parlamentarische Initiative "Planungs- und Baugesetz vom 21. Dezember 2011" (Redaktionslesung, Schlussabstimmung).

Die Vorlage passiert die Redaktionslesung ohne Diskussion. In der Schlussabstimmung stimmt der Rat der Änderung des Planungs- und Baugesetzes mit 109:3 Stimmen zu. Das Behördenreferendum wird nicht verlangt. Das Gesetz unterliegt der fakultativen Volksabstimmung.

 

Gesetz betreffend die Änderung des Gesetzes über die Volksschule (VG) (2. Lesung).

In der 2. Lesung erfährt die Vorlage keine Änderung. Es gibt zwar von Seiten der SP und Gewerkschaften unterstützt von den Grünen noch einen Antrag, dass zweimal zweieinhalb Stunden Fremdbetreuung für alle unentgeltlich sein sollen. Leider ist dieser Antrag vorgängig nicht mit anderen Fraktionen abgesprochen worden und erfährt deshalb auch nur wenig Zustimmung. Einige GR unserer EVP hatten durchaus Sympathien für den Antrag. Die Redaktionslesung und die Schlussabstimmung erfolgen in der nächsten Ratssitzung.

 

Gesetz betreffend die Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe (Sozialhilfegesetz; SHG)

Der an die vorberatende Kommission zurückgewiesene § 19b sowie der neue Absatz 5 von § 19 werden im Rahmen der 2. Lesung beraten. Die neu vorgelegte Fassung erfährt grosse Zustimmung. Der Antrag von Sandra Stadler und Pascal Schmid auf Streichung Streichung von § 19 Abs. 5 (dem Asylrecht unterstellte Personen sind bezüglich den finanziellen Beiträgen, die sie aus den Globalpauschalen erhalten haben, nicht rückerstattungspflichtig) hatte zum Glück aus EVP-Sicht keine Chance. Brigit Engeli, GP, bringt es auf den Punkt: «Es gehört zu unserer humanitären Tradition, dass wir helfen ohne zurückzufordern.» Persönlich gefreut hat es mich, dass der Rat nicht wieder umgekippt ist und nun eine gute Lösung für alle Seiten hat gefunden werden können.

Die Redaktionslesung und die Schlussabstimmung erfolgen an der nächsten Ratssitzung.

 

Motion von Franz Eugster und Paul Koch vom 10. März 2021 "Standesinitiative:

Energieholznutzung in der Landwirtschaft eine echte Chance geben!"

Die Motion wurde am 27. Oktober 2021 erheblich erklärt. Dem Beschlussesentwurf des Regierungsrates stimmt der Rat mit grosser Mehrheit zu. Das Geschäft geht an die Staatskanzlei zur Weiterleitung der Standesinitiative an die Bundesversammlung.

 

Motion "Doppelbesteuerung von Liegenschaften abschaffen"

Der Regierungsrat beantragt, die Motion erheblich zu erklären.

Weil der Gesamtsteuerfuss schon um 8% gesenkt wurde, ist die Mitte/EVP sehr gespalten. Wir von der EVP stehen einer Abschaffung skeptisch gegenüber oder können die Meinung von Fraktionskollege Dominik Diezi teilen:

« … Ohne Gegenfinanzierung für die Gemeinden geht es jedoch nicht. Es braucht diesbezüglich ein Finanzierungskonzept, da verschiedene Gemeinden dies einfach nicht stemmen können. Es wäre wirklich ein Schuss in den Ofen, wenn es in den Gemeinden danach zur Situation kommt, dass man sich zwar vielleicht 170 Franken an Liegenschaftensteuern sparen kann, die Gemeinde den Steuerfuss aber um 3 % erhöht, so dass man ein Vielfaches davon über die Einkommenssteuer zahlen muss. … Ich kann in meiner Verantwortung nicht nur für meine Gemeinde, sondern auch für verschiedene andere Gemeinden heute nicht einfach Ja sagen. Ich werde mit dieser Beantwortung des Regierungsrates heute Nein stimmen.»

Nach Diskussion im Rat wird die Motion mit 64:44 Stimmen erheblich erklärt. Das Geschäft geht an den Regierungsrat zur Ausarbeitung der Botschaft an den Grossen Rat.

 

Motion "Abschaffung der Handänderungssteuer"

Die Motion wird zurückgezogen. Stefan Leuthold (GLP) dazu: „Die GLP-Fraktion ist nicht nur ökologisch und wirtschaftsfreundlich, sondern auch realistisch und pragmatisch unterwegs. In Anbetracht der Entscheide zur Senkung des Steuerfusses und zur Abschaffung der Liegenschaftensteuer ziehen wir unsere Motion deshalb zurück.»